ALTE DIAMANTEN
Diamanten bewerten damals und heute
Ab wann ist ein Diamant alt?
Wie verlässlich sind Zertifikate?
Und wie verkauft man alte Diamanten?
Diamanten sind Millionen Jahre alt. Ein paar Jahrzehnte machen keinen Unterschied für den Edelstein.
Die Unterschiede bei alten Diamanten liegen im Schliff und in der Bewertung.
Äpfel mit Birnen vergleichen – so geht´s!
DAS PROBLEM
Alte Diamanten und deren Bewertung
Der Nachlass enthält alte Diamanten mit ebenso alten Zertifikaten. Und beim Versuch diese zu verwerten bekommen Sie gar keine oder nur unzureichende Ankaufsangebote? Im Folgenden werfen wir etwas Licht auf die (nicht) verstaubten Gutachten und zeigen Ihnen die Unterschiede auf.
BEISPIEL DIAMANT SCHLIFF
Alte Diamanten und die Bewertung – die größten Unterschiede liegen beim Schliff. Proportionen, Winkel und Maße wurden im Laufe der Jahrzehnte immer weiter verfeinert. Bessere technische Möglichkeiten führten zu immer präziseren Ergebnissen. Gleichzeitig machte eine Standardisierung die Bewertung von Diamanten immer vergleichbarer.
Das Beispiel Zertifikat aus dem Jahr 1978 zeigt einen Zweikaräter mit sehr gutem Schliff. Dabei fällt sofort auf, dass die Schliff-Skala kein „exzellent“ kannte. Das heisst, „sehr gut“ war damals die höchste Schliffnote.
Damals und heute
Bei genauerem Hinsehen fällt allerdings auch die große Tafel mit 66% auf. Vergleicht man diese mit heutigen Standards sieht man, dass der damals „beste“ Schliff heute nicht die Bestnote mit „exzellent“ bekommt, sondern nur mit etwas Glück das heutige „sehr gut“ hält. Warum das so ist sieht man anhand der unterschiedlichen Messmethoden.
Optischer Scanner
Andere Proportionen
Heute wird der Diamant in einen optischen Scanner gelegt und im selben Moment erhält man am Computer alle exakten Maße, Winkel und Proportionen. Im Gegensatz dazu wurden Tafel, Ober- und Unterteil früher mit einem sogenannten Proportion Scope geschätzt. Dabei wird der Brillant eingespannt und mit einer Lichtquelle ein Schattenbild erzeugt. Anhand diesem wurden die Proportionen geschätzt.
Alte Diamanten und die Tafel: Früher wurden große Hauptfacetten bei Brillanten (Tafel) positiv als „großes Gesicht“ beschrieben. Heutzutage beurteilt man sie oft negativ.
Beim Umschleifen ist die Politur weniger kritisch. Symmetriemerkmale (große Tafel, unrund, große Kalette, etc.) führen aber oft zu erheblichem Gewichtsverlust, weil die Korrektur den Durchmesser des Brillanten verändert.
ZERTIFIKAT „HALTBARKEITSDATUM“
Weitere Unterschiede
Die Bewertung des Schliffs ist aber nicht das einzige, was sich im Laufe der Zeit geändert hat. Im direkten Vergleich von zwei HRD Zertifikaten aus den Jahren 1979 und 2020 sieht man die Unterschiede deutlich: Neben den Proportionen und der Schliffausführung (Finish = Politur und Symmetrie) wird nun auch der Reinheitsgrad „SI“ genauer definiert (SI1 / SI2).
Früher wurden die Diamant Proportionen mit dem sogenannten „Proportion Scope“ mit Hilfe eines Schattenbildes geschätzt. Hierbei wird sofort ersichtlich wieso man die Schliffnote eines altes Zertifikates nicht mit den heute gemessenen Werten und Bewertungen vergleichen kann.
„Proportion Scope“
Diamant Maße und Proportionen schätzen
Schätzen statt messen
So ist eine alte Schliffnote, basierend auf geschätzten Werten, nicht vergleichbar mit der heutigen Diamantbewertung, deren Werte von einem optischen Taster erfasst werden.
Bei manchen alten Zertifikaten für Farbdiamanten fehlt die Angabe der Reinheit komplett. Ebenfalls wird die Fluoreszenz nicht immer beschrieben, was die Einschätzung nur gemäß Zertifikat zusätzlich erschwert.
Die Lasergravur der Zertifikatsnummer sowie die Online Verifizierung waren in den 70er Jahren noch gar nicht denkbar. Interessant auch hier: HRD Zertifikate lassen sich in der Online Datenbank 10 Jahre lang einsehen und auch herunterladen. Im Rückblick auf die Veränderungen in der Zertifizierung ist ein solches „Haltbarkeitsdatum“ für Diamant Zertifikate durchaus realistisch.
HRD Diamant Zertifikat 1979
HRD Diamant Zertifikat 2020
ALTE ZERTIFIKATE
Aktuelles Diamant Zertifikat
Warum ist es wichtig, ein aktuelles Diamant Zertifikat zu haben? Wir kaufen regelmäßig alte Diamanten und lassen diese auf moderne Standards umschleifen. Allerdings lässt das Karatgewicht bei manchen Diamanten wenig Spielraum zum Nachschleifen. Bei einem Brillanten von beispielsweise 1,01 ct. oder 1,08 ct. lässt sich nichts wegschleifen ohne das Etikett „Einkaräter“ zu verlieren. Der Karatpreis wäre dann ein anderer und der Wert des Diamanten dadurch stark beeinträchtigt.
Reinheit „IF“ = Lupenrein (IGI Zertifikat 1993)
Reinheit „VVS1“ (GIA Zertifikat 2022)
Regelmäßige Abweichungen
In diesen Fällen lassen wir den Diamanten so wie er ist neu zertifizieren. Dabei stellen wir regelmäßig fest: Es gibt fast immer Abweichungen in der Bewertung. Anbei vergleichen wir ein Zertifikat von IGI aus dem Jahre 1993. Der Diamant von 1,01 ct. lässt sich nicht weiter schleifen. Die erneute Zertifizierung bei GIA in 2022 hat einen besseren Farb- und einen schlechteren Reinheitsgrad hervorgebracht. Der alte Diamant ist nun nicht mehr „lupenrein“. Es wurde eine Abplatzung (engl. Chip) festgestellt. Diese geht in den Diamanten und gilt als inneres Reinheitsmerkmal. Oft passiert das an der Rundiste beim Tragen beispielsweise in einem Ring oder an der Spitze beim Fassen.
Fazit
Es macht durchaus Sinn, bei alten Zertifikaten genau hinzuschauen und diese im Zweifel durch ein neues zu ersetzen. Andere Maßstäbe, Standards in der Bewertung und andere technische Möglichkeiten ergeben – trotz Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen seinerzeit – meist ein etwas anderes Bild. HRD beschränkt die Online Verifizierung ihrer Zertifikate auf 10 Jahre nicht ohne Grund. Verschleißerscheinungen sowie Beschädigungen können vielfältig sein, insbesondere, wenn der Diamant in einem Ring getragen wurde. Je nach Ringfassung, Verwendung und Vorsicht des Trägers kommt es hier zu großen Unterschieden.
Messungenauigkeiten auch bei Maßen und Proportionen
MIKROFILM
Oft werden Diamanten „geblistert“ bzw. eingeschweisst verkauft. Dabei wurden häufig die Zertifikate auf Mikrofilm platzsparend hinzugefügt. Diese kann man durchaus mit einer Lupe auslesen. Einen zusätzlichen Nutzen hat diese Verpackung allerdings nicht, da die Steine zum Begutachten und Prüfen immer herausgenommen werden müssen.
SCHLIFF UND PREIS
Warum man beim Schliff schnell Äpfel mit Birnen zu vergleichen droht wird ersichtlich anhand der Preise. Alte Diamanten wurden und werden damals wie heute auf Gewicht geschliffen. Das Karatgewicht ist der wichtigste Preisfaktor. Das erklärt auch, warum nicht alle Diamanten perfekt geschliffen werden: Ein Einkaräter hat einen ganz anderen Karatpreis als ein Brillant von 0,95 Karat. Obwohl optisch meist kein Unterschied zu erkennen sein wird, trägt er nicht das Etikett „Einkaräter“. Daher ist der Schleifer kompromissbereit beim Schliff. Ausgeglichen wird der suboptimale Schliff dann oft beim Verkauf durch vermehrtes Marketing getreu dem Motto: „Schauen Sie mal wie das funkelt!“
Schlechte Symmetrie
IGI Diamant Zertifikat – schlechter Schliff
IGI Diamant Zertifikat – guter Schliff
Alte Diamanten: Ein Fallbeispiel
Beide Brillanten sind Einkaräter und vergleichbar in Farbe und Reinheit. Tatsächlich beträgt der Preisunterschied aber fast 100%. Einer ist perfekt geschliffen: Schliff / Politur / Symmetrie sind jeweils „exzellent“ – auch „triple ex“ genannt. Der andere ist schlecht geschliffen und wird deshalb eher wenig funkeln. Vergleichbar ist er eher mit einem gut geschliffenen Dreiviertelkaräter als mit einem Brillanten von 1 Karat – nach Abzug der Kosten für das Schleifen und das neue Diamant Zertifikat.
Alte Diamanten und Mängel beim Schliff: Eine unrunde Form (siehe Maße), eine sehr dicke oder sehr dünne Rundiste (Gürtel) oder eine Kalette (nicht spitz zulaufend). Beim Modernisieren von Altschliff Diamanten beträgt der Gewichtsverlust meist ca. 20-40%.
Diamanten umschleifen
PREISFINDUNG
Ein 10-Karäter, der keiner ist
Was kostet ein Altschliff Diamant?
Wenn Farbe und Qualität bekannt sind, ist mein Diamant mit schlechtem Schliff also die Hälfte wert? Nein, es kommt stark auf den Einzelfall an. Jeder Diamant ist ein Naturprodukt und je nach Material, Schliff und Zustand anders zu bewerten. Daher sind pauschale Aussagen auch so schwierig zu treffen.
Das Fallbeispiel der beiden Einkaräter zeigt den Preisunterschied bei bekanntem Ergebnis nach dem Umschleifen und Zertifizieren. Die Kosten von Umschleifen, Zertifikat und Versandkosten sind nicht mit einkalkuliert. Zudem ist VOR dem Umschleifen das endgültige Gewicht sowie das Ergebnis des Zertifikats nicht bekannt. Auch bleibt ein Risiko, dass beim Schleifen der Diamant zerbricht (z.B. bei inneren Spannungen).
ALTSCHLIFF UMSCHLEIFEN
Ein schlecht geschliffener Diamant von 10 ct. ist daher bei der Preisfindung nicht vergleichbar mit einem 10-Karäter, der nach heutigem Standard geschliffen ist. Je höher die Farbe und Reinheit, desto größer können die Preisunterschiede sein. Daher muss man die Steine vorab gesehen haben um eine Einschätzung abzugeben. Tatsächlich lässt sich aber nie zu 100% voraussagen wieviel Diamantgewicht nach dem Umschleifen bleibt und wie er zertifiziert wird. Aufgrund von Aufwand und Kosten macht das Modernisieren des Schliffes erst ab einer gewissen Steingröße und Wertigkeit Sinn.
Beim Umschleifen von Diamanten kann sich die Reinheit verbessern beispielsweise, wenn Einschlüsse an den Seiten wegfallen. In seltenen Fällen kann die Reinheit allerdings auch schlechter werden. Nämlich dann, wenn Einschlüsse in der Mitte bei einer Verringerung der Steingröße in Relation größer wirken als vorher.
Brillant Schliffgrad „exzellent“
KARATPREIS
Auf den Karatpreis kommt es an
Umschleifen und Karatpreis
Besonders bei Diamanten, die auf Karatgewicht geschliffen sind und knapp über beliebten Größen (1,00 ct. / 2,00 ct. / 3,00 ct.) liegen, muss genau geprüft werden, ob ein mögliches Nachschleifen in Frage kommt. Denn: Fällt das Karatgewicht unter eine beliebte Größe liegt sofort ein anderer Karatpreis zu Grunde. Dann handelt es sich nämlich nicht mehr um den begehrten „Zweikaräter“ oder „Dreikaräter“, die jeweils pro Karat teurer sind.
Oft macht ein Umschleifen den Stein aber auch überhaupt erst verkäuflich: Gerade bei teuren Diamanten möchte der Käufer ein „exzellent“ im Zertifikat sehen statt nur ein „mittel“ oder „gut“. Das zeigt sich auch daran, dass ab einer gewissen Güte fast nur exzellent geschliffene Diamanten an der Diamantbörse angeboten werden. Wir prüfen vorab, ob der modernisierte Diamant am Ende einen höheren Preis erzielen könnte.
Schleifen so gut es ging
In alten Zertifikaten lesen Sie Begriffe wie „Vollschliff“, „Modernschliff“, „Feinschliff“, „Moderner Feinschliff“ oder Altschliff. Diese sind nicht mit dem modernen Schliffstandards vergleichbar und müssen jeweils einzeln bewertet werden. Erfahrungsgemäß modernisieren wir die meisten alten Diamanten. Dabei muss je nach Zustand, Gewicht und Qualität mehr oder weniger weggeschliffen werden.
Fazit:
Diamanten mit zu alten Expertisen – insbesondere im Hinblick auf den Schliff – können nur bedingt mit aktuellen Zertifikaten von GIA, IGI oder HRD verglichen werden.